Frage von Joly
Ich will meine Zander-Völker auf Naturwabenbau umstellen. Beim reinen Wabenbau bauen die Bienen je nach Bedarf Wabenzellen für Arbeiterinnen, Drohnen und Weisel. Wie oder kann man unter solchen Bedingungen noch erfolgreich Drohnenrahmen nutzen? Wenn nicht, wie kann man dann gegen die Varroa vorgehen? Was wären die Alternativen?
Gruß, Joly
Antwort vom Bienenexperten:
Hallo Joly:
erst einmal finde ich es großartig, dass du den Schritt in Richtung Naturwabenbau wagst! Du schenkst deinen Bienen damit das Vertrauen, ihre Wabenstruktur und ihren Rhythmus selbst zu gestalten – ganz wie in einer Baumhöhle. Das ist ein Weg, der sicher mehr Beobachtung verlangt, aber dir auch viel über das Wesen deiner Völker verrät.
Inhaltsverzeichnis
Drohnenrahmen und Naturwabenbau – passt das überhaupt zusammen?
Die Idee, Drohnenrahmen zur Varroareduktion zu nutzen, ist in konventionell geführten Beuten mit Mittelwänden weit verbreitet. Die Bienen bauen dort nur begrenzt Drohnenzellen – es sei denn, man bietet ihnen gezielt Raum dafür, z. B. mit einem unbebauten Rähmchen (Drohnenrahmen). Der Sinn dahinter: Die Milben „lieben“ Drohnenbrut, weil sie sich darin besser vermehren können. Wenn man die verdeckelte Drohnenbrut ausschneidet, entfernt man auch einen Teil der Milbenlast. Klingt erst mal logisch – doch die Methode ist nicht ohne Tücken.
Warum ich den Drohnenschnitt kritisch sehe
1. Eingriff in das Volksgleichgewicht
Ein gesundes Bienenvolk braucht Drohnen – und zwar nicht nur zur Begattung. Drohnen wirken im Volk auch als soziales Regulativ. Sie sind Teil des Wärmehaushalts, helfen Spannungen abzubauen und sorgen für ein stabiles inneres Milieu. Untersuchungen zeigen, dass Völker in ihrer natürlichen Entwicklung etwa 12–18 % der Brutfläche für Drohnenbrut nutzen – manchmal mehr, je nach Jahreszeit und Volksstärke.
Wenn wir systematisch jeden Drohnenansatz entfernen, geraten wir in einen ständigen Widerspruch zum Volkswillen. Das Volk produziert also ständig „nach“, was wir ihm entziehen – ein Kreislauf, der Energie kostet und Stress bedeutet.
2. Ethik: Drohnen sind kein „Verbrauchsmaterial“
Auch wenn Drohnen oft als „unnütz“ dargestellt werden, sind sie Lebewesen mit Funktion – keine Wegwerfware. Den Drohnenschnitt durchzuführen, bedeutet, zigtausende Bienenlarven gezielt zu vernichten. Und zwar nicht aus Notwendigkeit, sondern als Strategie.
Wenn das Ausschneiden nicht sofort und sachgerecht erfolgt (z. B. Einfrieren), führt das zu qualvollen Situationen – Stichwort Tierwohl. Für mich ist das ein Grenzbereich, der mit einer wesensgemäßen Bienenhaltung nicht vereinbar ist.
3. Selektion in die falsche Richtung
Ein Punkt, der oft übersehen wird: Wenn wir kontinuierlich nur die Milben entfernen, die sich bevorzugt in Drohnenbrut vermehren, züchten wir ungewollt die robusteren Milben mit, die auch Arbeiterinnenbrut parasitieren – also den gefährlicheren Teil der Population.
Langfristig könnten wir damit sogar die Varroasituation verschärfen, weil wir durch unser Eingreifen eine evolutionäre Auswahl betreiben – und zwar in eine ungünstige Richtung. Die Natur ist da unbestechlich.
4. Der Drohnenschnitt ist kein Allheilmittel
Studien zur Wirksamkeit dieser Methode zeigen sehr unterschiedliche Ergebnisse. In manchen Fällen reduziert sich die Milbenlast messbar – in anderen nicht. Der Effekt hängt stark vom Zeitpunkt, der Volksgröße, dem Milbenbefall und der Umsetzung ab.
Wenn man sich darauf verlässt und andere Maßnahmen vernachlässigt, riskiert man, den Befall zu unterschätzen.
Was sind Alternativen im Naturwabenbau?
Wenn du mit Naturbau arbeitest, kannst du biotechnische Methoden einsetzen, die ohne Eingriff in die Brutentwicklung auskommen oder diese gezielt steuern – zum Beispiel:
✅ Brutpause durch Käfigung der Königin
Wenn die Königin etwa 21 Tage „aus dem Spiel“ ist, gibt es keine verdeckelte Brut – das ist der ideale Zeitpunkt für eine wirksame Behandlung mit Milchsäure oder Oxalsäure. Diese Methode ist besonders effektiv und bienenschonend.
✅ Totale Brutentnahme oder Brutablegerbildung
Ein starker Eingriff, aber eine sehr wirksame Methode zur Varroareduktion. Auch hier entsteht eine behandlungswirksame brutfreie Phase.
✅ Sanftes Monitoring und Selektion
Beobachte den natürlichen Milbenfall, prüfe Hygieneverhalten deiner Völker, achte auf die Volksentwicklung. Manche Völker haben genetische Anlagen, die sie robuster gegen Varroa machen – das lohnt sich, langfristig zu fördern.
Fazit:
Wenn du dich für Naturwabenbau entscheidest, geh den Weg auch konsequent. Lass die Bienen ihre Drohnen bauen, wo sie wollen. Statt Drohnenschnitt empfehle ich dir, auf intelligente, respektvolle Maßnahmen zu setzen, die sich am natürlichen Lebensrhythmus der Bienen orientieren – z. B. Brutpausen nutzen und mit sanften Mitteln behandeln. So stärkst du nicht nur die Bienengesundheit, sondern auch deine eigene Verbindung zur Imkerei.
Viele Grüße aus der Praxis,
Dein Florian